Astronaut Maik im DLR MIR-Simulator
in der Deutschen Raumfahrtausstellung Morgenröthe-Rautenkranz

Der Anfang einer großen Leidenschaft !

Da mein Bruder Frank schon immer eine Vorliebe für Radiogeräte hatte, mit denen man etwas mehr empfangen konnte als wie nur UKW, hatte er sich im Sommer 1991 einen sogenannten "Multiband-Empfänger" für 39,50 DM gekauft. Dieser hatte mehrere Frequenzbereiche von 108-145 MHz AIR, 145-176 MHz PB, 54-87 MHz TV1, 88-108 MHz FM (UKW) und alle CB-Funkkanäle von Kanal 1 26.955 MHz bis Kanal 80 (keine deutsche Kanal 41-80 Norm) auf 27.835 MHz zu bieten. Als wir den Empfänger ausprobierten waren wir mehr als nur begeistert, was dieser zum Vorschein brachte. Da wir Glück haben in einer Großstadt zu wohnen, sprühte der Empfänger vor lauter Taxi, grün-weiße Männlein, Amateurfunk und vor allem CB-Funk fast über. Es dauerte etwa zwei Tage bis ich meine Ersparnisse plünderte um mir auch einen solchen Empfänger zu kaufen, da mein Bruder ihm mehr als genug für sich alleine brauchte.
Der CB-Funk war für uns das Interessanteste an der Sache. Und wir beschlossen ein Jahr später auch Hobbyfunker zu werden. Wie mit allen fing mein Bruder an sich als Erster ein CB-Funkgerät zu kaufen. Es war ein CB-Handfunkgerät mit der Typenbezeichnung "high tec HT 4012 AM/FM" vom Hersteller "dnt" für 179,95 DM. Da er noch mit dem funken etwas zögerlicher als ich war, habe ich die Sache in die Hand genommen und nach wenigen Tagen schon einen großen Freundeskreis zu verschiedenen CB-Funkern in der Umgebung gewonnen. Im Sommer war es ja kein Problem mit einem Handfunkgerät im Freien auf der Terrasse zu funken, aber im Winter war es nun mal kalt und es mußte eine andere Lösung für das funken gefunden werden. Als Lösung kam natürlich nur eine Feststation mit Außenantenne in Frage, die sich mein Bruder wie immer als erster kaufte. Nach kleinen Anfangsschwierigkeiten mit der Stehwelle der Antenne, kamen wir doch wieder recht schnell in den alten Trott der CB-Gemeinde rein.
Nach etwa fast drei Jahren CB-Funkaktivitäten die mit dem Kauf von noch mehr CB-Funkgeräten verbunden waren, kamen wir wieder zu unseren geliebten "Multiband-Empfänger" zurück, da er uns noch mehr als nur CB-Funk liefern konnte. In der Zwischenzeit kamen Breitband-Empfänger auch genannt als Funkscanner auf dem Markt. Wir waren wirklich sehr interessiert an so einem Empfänger, der aber auch ein vielfaches mehr als ein CB-Funkgerät kostete. Zu Weihnachten 1994 hatte sich mein Bruder durchgerungen, sich seinen ersten und bis jetzt auch einzigen Funkscanner gekauft. Es war das Modell "DJ-X1D" vom Hersteller "Alinco" für 699,- DM. Dieser hatte einen durchgehenden Empfangsbereich von 100 kHz bis 1300 MHz, mit den Modulationsarten FM, WFM und AM. Da sich mein Bruder kurze Zeit später mehr mit anderen Dingen beschäftigte und ich mich noch immer für den Funkscanner interessierte, hatte er mir das Gerät für kurze Zeit überlassen. Schnell kamen nach öfteren scannen über das Frequenzband und nach dem Kauf von mehreren Frequenzbüchern, ein immer größeres Verlangen nach immer ausgefalleren Frequenzen zutage.
Im Sommer 1995 kam mir im Zeitschriftenladen eine Zeitschrift mit dem Namen "Tele Satellit" in die Hände. Diese Zeitschrift befaßte sich mit dem allgemeinen Thema des Empfangs von TV-Satelliten, aber auch stehts mit einem Artikel von der spannenden Folge von "Spionage selbstgemacht" vom Autor Christian Mass. In der Zeitschrift selber gab es auch einen Hinweis, daß der erwähnte Autor eine eigene TV-Sendung mit dem Namen "TS-TV" und später "Dr.Dish-TV" einmal im Monat über den TV-Satelliten "Kopernikus 2" auf 28,5°Ost ausstrahlte. Nun zum nächsten 2.Freitag des Monats, was immer der Sendetermin der Feed-Übertragung war, drehte ich unsere 65 cm Astra TV-Parabolantenne auf den gewünschten Satelliten und schaute mir erstmals hochbegeistert die Sendung an. In der Sendung gab es auch eine Rubrik, wo Zuschauer Fragen an den Moderator Dr.Dish alias Christian Mass stellen konnten. U.a. gab es die Frage: "Welche Frequenz die Raumstation MIR für den Sprechfunk nutze". Als Antwort von Dr.Dish wurde die 143.625 MHz genannt, die ich mir natürlich gleich notiert habe.
Einige Zeit später an verschiedenen Tagen, meistens an den Wochenenden, habe ich nun auf gut Glück auf die 143.625 MHz gedreht und reingehört, bis ich eines Tages eine Stimme aus dem Lautsprecher hörte. Es war doch unverkennbar russisch, welche mir noch aus meiner Schulzeit bekannt war. Im Prinzip war das der Auslöser für meine Begeisterung der Funksignale der Raumfahrt, die noch bis heute anhält. Da ich damals noch keinen Computer hatte und somit keinen blassen Schimmer von der Anzahl der Überflüge die es an einen Tag gab, wie lang sie sind, von wo nach wo geflogen wird und wann der nächste kommt, konnte ich nur immer und immer wieder auf die 143,625 MHz reinlauschen. In der Zwischenzeit hatte ich mir dann auch Weihnachten 1995 meinen eigenen Funkscanner den AR8000 von AOR für die Stattliche Summe von 1.454,- DM gekauft. Dieser hat mich bis heute über die ganzen Jahre bei meinen Hobby begleitet und noch nie im Stich gelassen.
Im Jahre 1996 ist es mir dann geglückt Shannon Lucid an einem Samstagmorgen zu hören, wie sie sich in englisch mit der russischen Bodenstation unterhielt. Zur der Zeit war das Freundschaftsprogramm mit den amerikanischen Space Shuttle Besuchen und Aufenthalte auf der MIR im vollem Gange. Mehr und mehr kam ich auch durch das aufschreiben der gehörten Funkverbindungen und auch durch Fernsehberichte, wo man die eine oder andere Einzelheit nannte dahinter, wie es nun genau mit den Überflügen ausschaute. Das man 92 Minuten für eine Erdumrundung brauchte und +3 Minuten für den Ausgleich der Erddrehung. Und es insgesamt 16 Erdumrundungen an einen Tag gab. Schließlich war ich dann auch soweit, daß ich auch schon die eine oder andere Beobachtung am Nachthimmel von der MIR machte und mir so einen genauen Überblick der Verläufe der Überflüge verschaffen konnte. Etwa fünf recht Himmelsspezifische Überflüge hat die MIR in mancher klaren Sommernacht geboten. Für die Berechnung der Überflüge für den nächsten Tag mußte man 39-41 Minuten von der Zeit des Überfluges eines davor liegenden Tages addieren, um wieder eine fast genaue Zeit vom Überflug des nächsten Tages zu bekommen. Genauer und besser war es aber wenn man 14-19 Minuten von der Zeit eines Überfluges subtrahiert und somit die Zeit des Überfluges zwei Tage später errechnete, da die MIR ja theoretisch jeden Tag etwa 10 Minuten früher kam. Die Zeitangaben variieren je nach der derzeitigen Flughöhe der Raumstation. Die Zeiten der Überflüge an jenen Tag die davor oder dahinter kamen, konnte ich mir mit einer selbstgemachten Rechentabelle leicht ausrechnen.


Meine Rechentabelle für die MIR-Überflüge.

Fakt war eins, wenn man immer genaue Überflugzeiten wollte und keine Computer sowie ich zur Hand hatte, mußte man regelmäßig den Funkkontakt hören oder auch wenn möglich die Überflüge visuell verfolgen. Das Wichtigste war natürlich dabei, daß notieren der Zeiten in einem Logbuch, wie ich es für ca. 2 Jahre lang getan habe.
Den erste Sprechfunk von einem Sojus-Flug habe ich am 17.08.1996 gehört. Damals sah ich zufällig um 19:45 Uhr die Nachrichten auf Pro7, wo man in den Kurzberichten erwähnte, daß wieder eine weitere Langzeitbesatzung auf dem Weg zur MIR mit dem Raumschiff Sojus TM-24 unterwegs wäre. Nach diesem Bericht bin ich sofort zum Funkscanner geeilt und habe die Sojus-Sprechfunkfrequenz 121.750 MHz eingestellt, die ich in der Zwischenzeit auch aus der Zeitschrift "Tele Satellit" erfahren hatte. Ich mußte nur etwa 5 Minuten warten bis der erste Funkspruch um 19:53 Uhr aus dem Lautsprecher kam. Da ich es mir denken konnte, daß sich die MIR in der Nähe der Sojus TM-24 befand, habe ich einfach mal auf der MIR-Frequenz gewartet. Lange brauchte ich nicht warten, bis ca. 22 Minuten später um genau 20:15 Uhr ein Funkspruch von der MIR-Besatzung zu hören war. Von der Sojus wußte ich ja, daß sie von der Flughöhe etwas niediger als die MIR flog und somit ein paar Minuten weniger in ihrer Umlaufzeit brauchte. Um 21:26 Uhr nach etwa 91 Minuten Pause ertönte dann schließlich ein weiterer Funkverkehr von der Sojus TM-24 aus dem Lautsprecher. Diesmal war dann die Situation so, daß man nicht nur was hören könnte, sondern auch sehen. Ich eilte also nach 2 Minuten hören zum Fenster wo ich nach Nord-Osten schauen konnte. Ein Blick nach oben in die Abenddämmerung genügte und siehe da, ein kleinerer Stern mit genügend Leuchtkraft zog in einer flotten Geschwindigkeit gehn Osten. Mit ca. 24 Minuten hinterher, kam dann auch die MIR, die natürlich durch ihre sehr helle Leuchtkraft nicht am Nachthimmel zu übersehen war.
Mit einer der schönsten Erlebnisse des Sprechfunks der MIR hatte ich, wo man deutsche Sprache auf der 143.625 MHz hörte. Es war in der Zeit der MIR'97 Mission, als sich der DLR-Astronaut Reinhold Ewald vom 12.02.1997 bis 2.03.1997 an Bord der MIR aufgehalten hatte. Endlich nach dem vielen nicht verstehenden russisch bot sich die Gelegenheit, endlich mal eine Sprache zu hören, die ich auch verstand. In den von mir gehörten Überflügen berichtete Reinhold Ewald über seine Experimente an Bord. Er teile der Bodenstation mit, daß einige sehr gut verlaufen sind. Besser als wie sie sich es am Boden gedacht hatte. Mit einigen anderen Experimenten klappte es aber nicht so gut. Er sagte nur, daß er sie noch einmal wiederholen würde, wenn es ihm die Zeit erlaubt. Nach seiner Berichterstattung zum DLR Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen, hatte er sich immer kurz bevor der Überflug über Deutschland zuende ging, mit "Bis zum nächsten Überflug" verabschiedet. Gut erinnern kann ich mich noch, daß einmal am 26.02.1997 auf der VHF-1 (143.622 MHz) russisch gesprochen wurde und auf der VHF-2 (130.167 MHz) Reinhold Ewald sich in deutsch mit Oberpfaffenhofen unterhielt. Ich kann mich bis heute noch ärgern, daß ich damals so gut wie keine Aufzeichnungen davon gemacht habe. Eine so ähnliche Möglichkeit hat sich danach nie wieder geboten.


BILD-Zeitung vom 27.06.1997


Hamburger Abendblatt vom 27.06.1997

Am 25.06.1997 um 11:04 Uhr gab es dann den Zusammenstoß mit der Progress M-34. Die Folge daraus war eine sehr schwere Beschädigung des Spektr Moduls der Raumstation MIR. Zu dem Zeitpunkt verflogte ich immer öfters die Überflüge und hörte regelmäßig die Kommunikation. Ich erlebte die ganzen Pannen via Funk mit. Wie wo es am 15.11.1997 einen totalen Stromausfall gab und die Kommunikationssysteme der MIR nicht mehr funktionierten. Um den Kontakt zum Boden nicht zu verlieren, gingen sie in das angekoppelte Sojus Schiff, um über die 121.750 MHz mit ZUP sprechen zu können. Ich hörte auch wie auf der MIR der Bordcomputer ausfiel und während des Radiokontaktes über die 143.625 MHz, sehr schrille Alarmtöne aus dem Hintergrund drangen. Danach kamen die verzweifelten Versuche das beschädigte Spektr Modul wieder zu reparieren. Man schickte mit der Sojus TM-26 am 5.08.1997 Russland's besten Kosmonauten zur MIR, um den Schaden in den Griff zu bekommen. Anatoli Solowjow der Rekordhalter mit den damals meisten Außenbordaktivitäten und einer Gesamtflugzeit von 651 Tagen, machte zwei sehr spannende IVA's im luftleeren Spektr Modul. Diese Zeit prägte mich so sehr, dass ich bis heute nicht mehr von dem Hobby lassen konnte.

Maik Hermenau