Die Satellitenbeobachtungsstation "Junge Welt" | Autor: Maik Hermenau |
Kurze Vorgeschichte: Wissenschaftler und Publizisten hatten nach dem Start des ersten
künstlichen Erdsatelliten im Oktober 1957, den Wunsch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR
eine fachspezifische Vereinigung zu gründen. Am 22.Juni 1960 wurde die DAG (Deutsche
Astronautische Gesellschaft) mit dem Sitz in Berlin gegründet. Sie hatte sich zur Aufgabe
gemacht, die friedliche Erforschung und Nutzung des Weltraums zu fördern. Die
Gründungsmitglieder wählten den Experten für Raketensteuerung, Dr.Ferdinand Ruhle, zum
ersten Präsidenten der Gesellschaft. Ab dem Jahr 1960 wurden von der DAG, in zwangsloser
Folge detaillierte Schnellinformationen zu allen Starts von Raumflugkörpern
veröffentlicht. Zusammen mit dem Zentralen Fachausschuß für Astronomie des Deutschen
Kulturbundes, gab die DAG ab dem Jahr 1963 eine eigene Fachzeitschrift mit dem Namen
"Astronomie und Raumfahrt" heraus. Zur Förderung der praktischen Arbeit, wurde
von der DAG der Betrieb einer Satellitenbeobachtungsstation in Berlin genehmigt. Darauf
hin wurde am 19.März 1964 die Satellitenbeobachtungsstation "Junge Welt", ein
gemeinsames Unternehmen der DAG und des Verlages der gleichnamigen Tageszeitung "Junge Welt"
gegründet. Die "Junge Welt" Satellitenbeobachtungsstation ist entstanden, weil
die Zeitung an einer möglichst umfangreichen und wissenschaftlich fundierten
Berichterstattung, auf dem Sektor der Raumfahrt interessiert war. Die
Satellitenbeobachtungsstation befand sich im Verlagsgebäude der Jungen Welt, der
Tageszeitung der FDJ (Freie Deutsche Jugend), in der Mohrenstraße 36/37 in Ost-Berlin,
DDR. Die Leitung der Satellitenbeobachtungsstation erfolgte durch Karl-Heinz Neumann,
einem Mitglied des Präsidiums der DAG. Karl-Heinz Neumann war ein Journalist beim
Armeeverlag, er hatte regelmäßig Artikel in den Zeitungen "Jungen Welt",
"Technikus", "Wissenschaft und Fortschritt" sowie "Jugend und
Technik" geschrieben und im Rahmen der Urania Vorträge gehalten. Die Anfänge von
Karl-Heinz Neumann mit seinen Aktivitäten auf dem Sektor funktechnische
Satellitenbeobachtung, war aber schon etwas eher. Bereits im Jahr 1962 veröffentliche er
ein kleines anspruchsvolles Taschenbauch mit dem Namen "Funktechnische
Satellitenbeobachtung" aus der Reihe "Der praktische Funkamateur" Band 29. (siehe
das Bild rechts) Hilfreiche Unterstützung in Dingen der praktischen Arbeit, bekam
die Satellitenbeobachtungsstation u.a. von Prof. Dr. Hans-Joachim Fischer, dem damaligen
Direktor des Instituts für Elektronik, später dann Instituts für Kosmosforschung der
AdW. |
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Die Satellitenbeobachtungsstation "Junge Welt" im Jahr
1967. |
Die Satellitenbeobachtungsstation "Junge Welt" im Jahr
1967. |
Der Leiter der Satellitenbeobachtungsstation Karl-Heinz Neumann an den Allwellenempfängern Dabendorf. |
v.l.: Reinhard Schulze (damaliger Mathematikstudent), Herbert Pfaffe (Mitglied des Präsidiums der DAG), Bernd Mischke (damaliger Chemiestudent) v.r.: Horst Hoffmann 2005()(Raumfahrtpublizist), Peter Stache (Journalist Armeeverlag) |
Die funktechnische Ausstattung der Satellitenbeobachtungsstation in den
ersten Jahren, bestand aus einer Antennenanlage mit einer Langdrahtantenne für den
Kurzwellenbereich um 20 MHz, einer nachführbaren Wendelantenne mit 6-8 Windungen für den
Bereich 136-138 MHz und später noch ein Kreuzdipol für 137-MHz-Wettersatelliten. Als
Empfänger nutzte man den Allwellenempfänger Erfurt Typ 188 von RFT, mit einen
Empfangsbereich von 30 kHz bis 30 MHz mit den Modulationen CW, MCW und AM. Den
Allwellenempfänger Dabendorf von RFT mit dem Empfangsbereich 120 kHz bis 30 MHz
ausgestattet mit CW, SSB und AM. Zusätzlich gab es einen teilweise umgebauten Empfänger
FSM-3 (Feld-Stärke-Messer) von RFT, mit einem Empfangsbereich von 87-300 MHz. Auf dem Dach des Verlagsgebäudes auf der Mohrenstraße 36/37, errichtete man eine Anlage für die visuelle bzw. optische Satellitenbeobachtung. Zur Ausstattung gehörten u.a. zwei AT-1 Fernrohre mit transportabeln Dreibeinstativen mit Zeitregistrierung für die Bahnspurfotographie. Neben den Satellitenbeobachtungen wurden auch astronomische Ereignisse fotografiert und die Aktivitätsperioden der Sonne überwacht. Da aber im Zentrum einer Großstadt wie Berlins, schlechte Bedingungen für optische Beobachtungen herrschen, konzentrierte man sich hauptsächlich auf die funktechnische Beobachtung. Am 20.Oktober 1967 besuchte der sowjetische Kosmonaut Andrijan Nikolajew die Satellitenbeobachtungsstation "Junge Welt". Nikolajew hatte vorher als fünfter Mensch vom 11.-15.August 1962 mit dem Raumschiff Wostok 3 einen 3tägigen Raumflug absolviert. |
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Karl-Heinz Neumann mit Kosmonaut Andrijan Nikolajew 1967 |
Beobachtung einer Mondfinsterniss in den 60ern. |
Die Satellitenbeobachtungsstation "Junge Welt" im Jahr 1974. |
Ab April 1968 wurden erstmalig die von Satelliten gesendeten Wetterbilder im APT-Format regelmäßig
aufgezeichnet. Einen Teil der dazu notwenigen Apparaturen wurden von den Mitgliedern in
ihrer Freizeit entwickelt und gebaut. Zuerst nutzte man den Empfänger FSM-3 von RFT, bei
dem man speziell für den Empfang von Wetterbildern, die Filterbandbreite verändert
hatte. Später erhielt man vom ZWG (Zentrum für wissenschaftlichen Gerätebau) der AdW
(Akademie der Wissenschaften), leihweise einen Wetterbildempfänger vom Typ APT-137/3. Bis
es damals zu einen fertigen Wetterbild kam, waren mühsame Arbeitsgänge nötig. Der
Wetterbildempfänger hatte einen modifizierten Ausgang, wo das Bildaufzeichnungsgerät
"Newa" angeschlossen wurde. Im Bildaufzeichnungsgerät befand sich eine drehende
mit Photopapier bespannte Trommel. Eine Glimmlampe bildete einen Punkt auf dem Papier ab,
bis Zeile für Zeile das Wetterbild abgebildet worden war. Anschließend mußte noch das
Photopapier in der Dunkelkammer entwickelt, fixiert und getrocknet werden, bis man das
fertige Wetterbild in den Händen halten konnte. Kurze Zeit nach dem man die Satellitenbeobachtungsstation in das neue Verlagsgebäude am Alexanderplatz verlegt hatte, wurde der Stationsbetrieb Anfang der 80er Jahre aufgegeben. Nach dem Karl-Heinz Neumann an Kehlkopfkrebs erkrankte und leider 1988 verstarb, gab es von Seitens des Verlages und der FDJ, kein Interesse mehr an einer weiteren Fortsetzung. Ein kleiner Teil der damaligen Ausrüstung, wurde danach im FEZ (Freizeit- und Erholungszentrum) in Berlin-Wuhlheide ausgestellt, wo es heute noch zu sehen sein soll. Zu den über die Jahre hervor zu hebenden Mitgliedern der Satellitenbeobachtungsstation "Junge Welt" zählen Dr.Peter Heblik, Bernd Mischke, Ingrid Penther, Dr.-Ing. Bernd Schildwach und Reinhard Schulze. letzte Änderung: 11.06.2013 |